Wie hoch darf man nach dem Tauchgang wirklich gehen?
Referat gehelten auf dem tauchmedizinischen Fortbildungsseminar im November 2013 im Audimax der medizinischen Fakultät der Uni Essen "TMF 13"
Inhalt
- Wie bestimmt man den Luftdruck mit zunehmender Höhe
- Welche Angaben machen gängige Tauchcomputer zur erreichbaren Höhe nach dem Tauchen?
- Ein Praxisbeispiel für Tauchgänge mit anschließender Fahrt über Gebirgspass auf Teneriffa
- Sichere Verhaltensweisen und Tipps für Tauchlehrer
Luftdruck in der Höhe
Der Luftdruck in der Höhe lässt sich mit der Höhenformel berechnen:
Problem:
Diese vereinfachte Exponentialfunktion berücksichtigt die Temperaturänderung mit der Höhe nicht und geht von einem idealen Gas aus.
Der Luftdruck in der Höhe unter Berücksichtigung der Temperatur lässt sich mit einem thermodynamischen Ansatz berechnen:
Hierbei ist a = Temperaturgradient 0,0065 pro 100m, ein Wert der für die unteren Schichten der Atmosphäre gültig ist. Mit der mittleren molaren Masse des Atmosphärengases M = 0,02896 kg mol−1, der Schwerebeschleunigung g = 9,807 m s−2, der universellen Gaskonstante R = 8,314 J K−1 mol−1 und dem Adiabatenexponenten von (trockener) Luft = 1,402 erhält man den Temperaturexponenten.
Daraus ergibt sich für die Luft in niedrigen Höhen und einer Standard-Lufttemperatur von 15°C in Meereshöhe eine Druckänderung von:
Die Druckänderung fällt in wärmeren Regionen geringer aus als in kalten Gegenden. Die Lufttemperatur liegt auf Teneriffa jedoch nur äußerst selten bei 15°C in Meereshöhe, als Durchschnitt muss hier eher 24°C angenommen werden. Das ist also ein kleiner Vorteil unserer warmen Insel :)
Druck in hPa |
Druckabnahme in % |
|||
Höhe ü.NN. (m) |
15°C |
24°C |
standard Höhenformel |
15°C |
0 |
1013 |
1013 |
1013 |
100% |
100 |
1001 |
1002 |
1001 |
98,8% |
200 |
989 |
990 |
988 |
97,7% |
300 |
978 |
979 |
976 |
96,5% |
400 |
966 |
968 |
964 |
95,4% |
500 |
955 |
956 |
952 |
94,2% |
600 |
943 |
945 |
940 |
93,1% |
700 |
932 |
934 |
928 |
92,0% |
800 |
921 |
923 |
917 |
90,9% |
900 |
910 |
913 |
905 |
89,8% |
1000 |
899 |
902 |
894 |
88,7% |
1100 |
888 |
892 |
883 |
87,7% |
1200 |
877 |
881 |
872 |
86,6% |
1500 |
846 |
850 |
840 |
83,5% |
2000 |
795 |
801 |
789 |
78,5% |
2400 |
756 |
763 |
750 |
74,7% |
3000 |
701 |
709 |
696 |
69,2% |
3500 |
658 |
667 |
654 |
64,9% |
3700 |
641 |
650 |
638 |
63,3% |
Standardmäßig entspricht der Druck in Flugzeugkabinen dem Druck auf 2400m Höhe. Das ist natürlich von Flug zu Flug und von Fluggesellschaft zu Fluggesellschaft unterschiedlich. Der Druck wird von Pumpen erzeugt welche von den Triebwerken abhängen. Je höher der Druck gehalten wird umso mehr Treibstoff wird verbrannt. Daher ist der Druck in einer Flugzeugkabine eine Frage des Preises. 2400m entspricht also dem geringsten erlaubten Wert.
Tauchcomputer rechnen mit diesem Wert für die Flugverbotszeit. Also ca. 25% Druckabnahme.
Die Angaben der Tauchcomputer
(Beispiele gängiger einfacher Modelle)
MARES
MARES gibt Flugverbotszeit nach Standardwert 12h / 24h an. KEINE explizite Aussage über die genaue Flugverbotszeit oder die erreichbare Höhe nach dem Tauchen.
SUUNTO
SUUNTO berechnet eine Flugverbotszeit, trifft jedoch KEINE explizite Aussage über die erreichbare Höhe nach dem Tauchen.
SUUNTO berechnet die Höhe in nur 3 Stufen und gibt für Meereshöhe maximal 300m an. (entspricht den Höhenvorgaben der PADI Tabelle)
UWATEC
- UWATEC berechnet die Flugverbotszeit explizit und gibt auch die erreichbare Höhe nach dem Tauchen an.
- Die Höhenangabe erfolgt entsprechend der Bergsee Höhenstufen.
Ein praktisches Beispiel - Tauchen auf Teneriffa
Teneriffa wird beherrscht vom Vulkan TEIDE, dem höchsten Berg Spaniens, Höhe: 3718m
Je nach Seegang, kann auf allen Seiten der Insel getaucht werden. Diesen Vorteil nutzen fast alle Tauchbasen um ihren Kunden einen ganzjährigen Service bieten zu können.
An Tagen mit hohem Seegang, kann kein Bootstauchen vor der Küste von Puerto de la Cruz angeboten werden.
Tauchgänge finden bei zu starkem Wellengang an den Ausweichplätzen auf der Ostseite der Insel statt.
Das bedeutet Fahrzeiten von 30 - 45 Minuten über die Autobahn und über die Berge. Die Autobahn führt bei Guamasa über den Pass bei einer Höhe von 645m üNN.
Wir haben zwei reale Tauchgänge wie sie häufig bei uns durchgeführt werden als Grundlage für eine Simulation genommen und an UWATEC gesandt. Die Techniker von UWATEC haben uns leider nicht die Simulationssoftware für unser Problem zu verfügung stellen können (Betreibsgeheimnis war ja klar), aber sie haben unsere Tauchprofile in eine Simulation eingebaut und uns die Screenshots der Ergebnisse überlassen.
Das Profil des Tauchtages
Detailliertes Profil des ersten Tauchgangs von einem Leihcomputer der Tauchschule (ALADIN PRIME)
Detailliertes Profil des zweiten Tauchgangs
Nach dem Tauchen Rückfahrt von Radazul nach Puerto de la Cruz über den Pass am Nordflughafen. Der höchste Punkt auf der Autobahn liegt in 627m Höhe.
Direkter Aufstieg auf 700m nach dem 2. Tauchgang ergibt in unserer Simulation keine Probleme!
Das Ergebnis wurde erwartet, denn eigentlich finden diese Fahrten und Tauchgänge seit 20 Jahren bei uns so statt und es ist noch nie zu Schwierigkeiten gekommen.
Frage:
Doch die Frage stellt sich, wie hoch könnte man nach diesen Tauchgängen gehen?
Direkter Aufstieg nach dem 2. Tauchgang auf 1200m ergibt in der Simulation Probleme mit den mittleren Geweben!
Also schon bei 1200m gibt es Probleme.
Wenn der Tourist also in einem Hotel in Puerto de la Cruz wohnt und zum Tauchen einen Tagesausflug nach Los Gigantes im Süden unternimmt, so wird er wohl den kürzesten Weg über die Passstraße über Santiago del Teide nehmen.
Auf dem Hinweg wäre das auch noch in Ordnung, auf der Rückfahrt nach 2 Tauchgängen jedoch gefährlich. denn der Pass liegt wesentlich höher als der Autobahnpass im Norden der Insel, er liegt auf auf 1110m.
Passstraße von Los Gigantes nach Puerto de la Cruz
Frage:
Was würde eine kleine Pause bringen?
Wenn man eine Pause von einer Stunde nach den selben Tauchgängen am Strand einlegt werden die Ergebnisse wesentlich besser.
Umkleiden und Packen der Ausrüstung dauert i.d.R. ja schon eine halbe Stunde. Wird jetzt noch eine kurze Kaffepause gemacht, kommt diese Stunde Pause schnell zustande.
Aufstieg nach dem 2. Tauchgang und einer Pause von 1h am Strand auf 1200m ergibt KEINE PROBLEME!
Hier führt die Fahrt auf den Pass auf 1200m zu keinen Problemen, also wo liegt die Grenze jetzt?
Aufstieg nach dem 2. Tauchgang und einer Pause von 1h am Strand führt erst ab einer Höhe von 1680m zu PROBLEMEN!
Erst bei überschreiten der zweiten Bergseestufe nach UWATEC auf über 1650m führt zu einem möglichen Dekompressionsunfall.
Aber auch nach einer Stunde Pause ist man auf einer Insel wie Teneriffa nicht sicher.
Wer einen Ausflug in die Cañadas del Teide, den großen Krater plant, MUSS die Flugverbotszeit abwarten, denn schon der Kraterboden, die untere Seilbahnstation, liegt auf 2400m, was ja dem Druck in der Flugzeugkabine entspricht.
Höhenprofil von Puerto de la Cruz bis zur Seilbahnstation in den Cañadas
Wer bei seinen Ausflügen noch höher will, etwa mit der Seilbahn nach oben fahren oder gar bis zur Spitze des höchsten Berg Spaniens, der sollte unbedingt KOMPLETT ENTSÄTTIGT sein. Von einer totalen Entsättigung kann man erst nach 48h ausgehen, dieser Zusammenhang ist vielen tauchenden Urlaubern nicht bewusst und sollte von allen Tauchlehrern und anderem Tauchschulpersonal weitergegeben werden.
Obere Seilbahnstation des TEIDE auf Teneriffa
Spitze des TEIDE auf Teneriffa
Sicherer Verhaltenskodex
Die Simmulationen der realen Tauchgänge bestätigen die Regeln nach denen wir seit 20 Jahren auf Teneriffa unsere Tauchgänge planen und durchführen.
- Nullzeittauchgänge machen! =>gilt grundsätzlich auf Tauchbasen und das mit gutem Grund
- Nach einem Tauchtag in Meereshöhe sollte man innerhalb der Höhenstufe „Meereshöhe“ bleiben. =>nach UWATEC maximal 850m (nach Bühlmann DEKO 2000 maximal 700m)
- Jede noch so kleine Pause nach dem Tauchen reduziert das Stickstoffniveau im Körper vor der Abfahrt. =>Kaffeepause einlegen vor der Fahrt
- Vor Ausflügen auf über 2400m Höhe ist auf eine totale Entsättigung zu achten (48h)
Tipps für Tauchlehrer
- Gehe auf das Thema Tauchen & Fliegen sowie Tauchen & Berge im Anfängerkurs deutlich ein
- Die Mehrzahl aller Tauchgänge finden im Urlaub auf Flugreisen statt.
- Es gibt gerade unter den „Urlaubstauchern“ viele die die Flugverbotsregeln nicht oder nicht mehr kennen. Wir erhalten in der Hochsaison mindestens eine Anmeldung pro Woche für den Abflugtag des Tauchers.
- Der Zusammenhang zwischen Flugverbot und Planung von höher gelegenen Ausflügen ist noch weniger Tauchern bekannt. Wer als Tauchlehrer in solchen Gebieten arbeitet, sollte seine Gäste schon bei der Anmeldung auf die Problematik hinweisen.
- Wer auf Tauchbasen im Tourismusbereich arbeitet sollte sich die Abflugtermine seiner Gäste mit der Anmeldung geben lassen um Planungsfehler zu vermeiden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
Referent:
Thomas Christoph
PADI Master Instructor & VDST TL3
Basisleiter Tauchschule ATLANTIK in Puerto de la Cruz auf Teneriffa